Jugend und Pornografie: Wie soll man damit in der Schule umgehen?

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Studien zufolge kommen Kinder und Jugendliche nicht selten mit pornographischen Darstellungen in Kontakt und tauschen diese auch untereinander aus. Einerseits ist das Interesse der Jugendlichen an Darstellungen von Sexualität im Rahmen ihrer eigenen Identitätsfindung völlig normal und auch kein neues Phänomen, andererseits ermöglicht das Internet einen nur schwer zu kontrollierenden und sehr niederschwelligen Zugang auch zu illegalen Inhalten, aus denen sich Gefährdungssituationen für die Jugendlichen ergeben können. Das stellt Lehrpersonen vor die Frage, wie sie mit dem Thema umgehen können. Worüber sollten sie die Jugendlichen informieren? Welche Inhalte sind überhaupt illegal? Wann und wie sollten sie eingreifen?

Wenn Jugendliche oder Kinder zum Beispiel in Chats mit Erwachsenen mit pädophilen Inhalten in Kontakt kommen, liegt eindeutig eine schwere Gefährdungssituation vor und sofortiges Handeln ist zwingend erforderlich.

Aber was ist zum Beispiel mit den folgenden beiden Situationen:

  • Ein 17-Jähriger sieht sich Videos mit illegalen pornographischen Inhalten an und teilt die Videos mit anderen 17-Jährigen aus seiner Klasse.
  • Ein vierzehnjähriges Mädchen verschickt eine aufreizende Aufnahme von sich selbst an ihren Freund. Nachdem die Beziehung beendet ist, teilt dieser das Bild weiter.

Handelt es sich um einen harmlosen Spass oder Flirt unter Jugendlichen im Rahmen einer ganz normalen sexuellen Neugier und Entwicklung? Ist eine Situation eskaliert und ein Jugendlicher in Not benötigt Schutz und Hilfe? Handelt es sich allenfalls sogar um einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt?

Wie ist überhaupt die rechtliche Situation und welche Möglichkeiten und Pflichten der Aufklärung, der Prävention und gegebenenfalls der Intervention hat die Schule?

Was ist überhaupt Pornographie?

Der Begriff „Pornographie“ setzt sich aus den griechischen Wörtern „porne“ (Hure) und „graphein“ (schreiben) zusammen. In der ursprünglichen Wortbedeutung geht es also um die Beschreibung bzw. die Darstellung von käuflichem Sex.

Gemäss einem Entscheid des Bundesgerichts wird Pornografie im rechtlichen Rahmen folgendermassen definiert: 

«Der Begriff der Pornographie setzt einerseits voraus, dass die Darstellungen oder Darbietungen objektiv betrachtet darauf ausgelegt sind, den Konsumenten sexuell aufzureizen. Zum anderen ist erforderlich, dass die Sexualität so stark aus ihren menschlichen und emotionalen Bezügen herausgetrennt wird, dass die jeweilige Person als ein blosses Sexualobjekt erscheint, über das nach Belieben verfügt werden kann. Das sexuelle Verhalten wird dadurch vergröbert und aufdringlich in den Vordergrund gerückt.» 

Bei Pornographie handelt es sich also um Darstellungen, seien es Bilder, Videos, Zeichnungen, Cartoons oder Töne, bei denen sexuelle Handlungen von ihrem Kontext isoliert betrachtet werden, wodurch die sexuelle Handlung so stark in den Vordergrund gerückt wird, dass die Darsteller nicht mehr als vollständige Personen wahrgenommen werden, sondern als blosse Sexualobjekte, über die einfach verfügt werden kann.

Pornographie umfasst Praktiken, die sexuelle Erregung bringen sollen. Und in diesem Sinne bringt die Vielfalt der Erregungen eine Vielfalt der Darstellungen mit sich. Einige von diesen sind gesetzlich verboten.

Wann ist Pornographie illegal? Jugendschutzartikel und Illegale Pornographie

Unabhängig davon, was im Einzelfall ein angemessener und verhältnismässiger Umgang mit einer problematischen Situation sein kann, gibt die Gesetzgebung einen klaren Rahmen für die Einordnung von erotischen Darstellungen vor. Es ist wichtig, dass Eltern und Lehrpersonen, die rechtlichen Bestimmungen kennen. Besonders aber auch für die Jugendlichen ist es wichtig, dass sie wissen wie das Gesetz sie schützt, an wen sie sich wenden können, und, was manchmal vergessen wird, in welchen Bereichen sie sich auch selbst strafbar machen können.

Beim Thema Jugend und Pornographie sind in der schweizerischen Gesetzgebung vor allem der „Jugendschutzartikel“ (Art. 197 Abs. 1 StGB), der „Vorbehalt“ (Art. 197 Abs. 8 StGB) und der Bereich der „Illegalen Pornographie“ (Art. 197 Abs. 4 StGB und Abs. 5 StGB) relevant.

Es besteht in unserer Gesellschaft weitgehend Einigkeit darüber, dass bestimmte Darstellungen von Sexualität die gesunde sexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gefährden können. Dieser Gefährdung soll der „Jugendschutzartikel“ (Art. 197 Abs. 1 StGB) entgegenwirken. Er verbietet es grundsätzlich, Jugendlichen unter 16 Jahren pornographische Inhalte zugänglich zu machen.

Im Unterschied zum „Jugendschutzartikel“ zielt das Verbot der illegalen Pornographie auf alle als gefährlich eingestuften Darstellungen von Sexualität ab. Unabhängig vom Alter darf diese vom Gesetzgeber als illegal betrachtete Form der Pornographie für niemanden zugänglich gemacht werden, da ihre Herstellung strafbare Handlungen erfordert (Art. 197 Abs. 4 StGB und Abs. 5 StGB).

Illegale Pornographie wird im Art. 197 Abs. 4 StGB und Abs. 5 StGB geregelt und bezieht sich vor allem auf drei Bereiche:

Sexuelle Darstellungen

    • mit Kindern unter 18 Jahren
    • mit Tieren
    • mit Gewalttätigkeiten

Es ist gesetzlich verboten, solche Darstellungen zu erstellen, zu konsumieren, zu besitzen, vom Internet herunterzuladen oder weiterzuleiten.

Verstösse werden als Offizialdelikte eingestuft, das heisst es handelt sich um schwerwiegende Straftaten, die von Amts wegen strafrechtlich verfolgt werden. Das bedeutet, dass ein Opfer keine Klage einreichen muss, damit Ermittlungen eingeleitet werden.

Für Jugendliche hat der Artikel, aber auch noch eine andere Relevanz, an die oft nicht gedacht wird. Jugendliche können nicht nur Opfer von Straftaten werden, sie können sich auch selbst strafbar machen. Eine 15-Jährige, zum Beispiel, die eine Aufnahme von sich selbst in einem sexuellen Kontext erstellt und mit anderen Jugendlichen teilt, wird zur Erstellerin und Anbieterin von illegalen kinderpornographischen Inhalten. Wie dieses Gesetz ausgelegt wird, das heisst, ob es sich bei einer Darstellung um Kinderpornographie handelt, entscheidet im Zweifelsfall ein Gericht.

Im obigen Beispiel ist aber auch das Alter des Jugendlichen von Bedeutung. Wäre das Mädchen ein Jahr älter, also bereits 16, käme der Vorbehaltsartikel (Art. 197 Abs. 8 StGB) zum Tragen. Dieser besagt, dass Minderjährige von mehr als 16 Jahren straflos bleiben, wenn sie voneinander einvernehmlich Vorführungen im Sinne von Absatz 1 des Artikels 197 herstellen, besitzen oder konsumieren.

Vereinfacht gesagt, kommt es also bei der Frage, was erlaubt und was verboten ist, einerseits auf das Alter an und andererseits darauf, was auf den Darstellungen zu sehen ist:

Strafbar macht sich:

    • Wer einer Person unter 16 Jahren pornographische Inhalte zeigt, schickt oder sonst irgendwie zugänglich macht. Es ist also auch strafbar, wenn ein Jugendlicher, der noch nicht 16 ist, sich selbst bei sexuellen Handlungen fotographiert oder filmt, egal mit welcher Absicht.
    • Wer erotische Bilder von unter 18-Jährigen macht, besitzt, austauscht, veröffentlicht oder in irgendeiner Form zugänglich macht, mit Ausnahme von Sexting bei über 16-Jährigen.
    • Wer sexuelle Darstellungen mit Kindern unter 18 Jahren, mit Tieren oder mit Gewalttätigkeit erstellt, konsumiert, besitzt oder weiterverbreitet.

 

Wie kann man in der Schule mit diesem hochsensiblen Thema umgehen?

Die Durchsetzung des Jugendschutzes ist aufgrund der Allgegenwart des Internets, kostenloser Pornoseiten und der Geschwindigkeit, mit der Inhalte über soziale Netzwerke und Smartphones verbreitet und gelöscht werden können, äusserst schwierig. 
Zudem werden solche Inhalte vor Erwachsenen versteckt und im geheimen über private Nachrichten und Chats geteilt.  

Der Umgang mit dem Austausch von pornografischen Inhalten zwischen Schülern fällt offensichtlich nicht in die alleinige Verantwortung der Schule. Es gehört jedoch durchaus zu den Aufgaben der Schule, gefährliche Situationen zu erkennen, zu thematisieren und gegebenenfalls auch Hilfe bei den zuständigen Stellen zu suchen. Daher sollten geeignete Strukturen geschaffen werden, die es ermöglichen, schwierige Themen anzusprechen und die Geschehnisse im Falle eines Problems einzuordnen.  Stellen Sie sicher, dass die Jugendlichen wissen, an wen sie sich wenden können, wenn Sie in eine Notlage geraten (zum Beispiel an einen Mediator oder eine Mediatorin).

a) Vorbeugungen und Informieren

Dass Jugendliche sich im Rahmen ihrer Beschäftigung mit der eigenen und der fremden Sexualität für pornographische Inhalte interessieren, ist völlig normal und dürfte für niemanden eine Überraschung sein. Es ist ein Ausdruck jugendlicher Neugier und weder ein neues Phänomen noch ein Grund den vollständigen Werteverfall der jungen Generation zu befürchten. Neu sind allerdings die einfache Verfügbarkeit pornographischer Inhalte und die fast völlige Unkontrollierbarkeit des Mediums Internet.

Um so wichtiger ist es, dass Jugendliche die Möglichkeit erhalten, sich mit gesehenen Inhalten auseinanderzusetzen, sie zu verarbeiten und für sich in ein Wertesystem einzuordnen.

Die Zentren der SIPE bieten seit mehr als 40 Jahren Informationen und Beratung zu allen Fragen der Liebe, Sexualität und Schwangerschaft an. Sie können – auf Anfrage – Schulen bei der "Infragestellung des Sexualverhaltens" beraten und begleiten. Bei Massnahmen zur Prävention kann die SIPE zur Unterstützung eingesetzt werden. https://www.sipe-vs.ch/de/auffalliges-sexualverhalten-319.html

Auch andere Organisationen bieten Anregungen, wie das spezifische Thema Pornographie angegangen werden kann: 

  • Die Stiftung InternetMatters.org bietet eine Seite mit vielen Ressourcen und Dokumenten an. https://www.internetmatters.org/de/issues/online-pornography/protect-your-child/
  • Le site canadien Habilomedias propose également des ressources pour aborder le sujet en classe. 
  • Die Seite www.147.ch von projuventute richtet sich direkt an die Jugendlichen. Jugendliche finden hier eine altersgerecht aufgearbeitete detaillierte Zusammenstellung darüber was, wer, wann erstellen, anschauen oder weitergeben darf und womit man sich auch als Jugendlicher allenfalls strafbar machen kann.
  • Die Schweizerische Kriminalprävention SKPPSC stellt Materialien zur Verfügung, die das Gesetz auf allgemeinverständliche Weise erklären, was sehr nützlich sein kann, um Eltern und/oder Schülern die Schwere bestimmter Tatsachen, einschliesslich des Besitzes und des Austausches von illegaler Pornographie, zu erklären. https://www.skppsc.ch/de/themen/sexuelle-uebergriffe/illegale-pornografie-pornosucht/
    Eine Zusammenstellung der wichtigsten Gesetzesartikel zum Thema Pornographie im Internet sowie wichtige Informationen zu den Themen Schutzalter, Sexting und illegale Pornographie findet man zum Beispiel im Faltblatt „Alles, was Recht ist“ der Schweizerischen Kriminalprävention.
b) Intervenieren 

Wenn der Verdacht auf eine Gefährdungssituation oder einen Straftatbestand vorliegt, ist es die Pflicht der Lehrperson und der Schulleitung, zu handeln und sofort Massnahmen zu ergreifen, um sich um den/die Schüler zu kümmern. 
Die Schulleitung wird das Schulinspektorat informieren und mit diesem das weitere Vorgehen besprechen. Auch für Schulen gibt es die Möglichkeit, mit der kantonalen Opferstelle Kontakt aufzunehmen. So kann man auch die Betroffenen schützen. Falls Handlungen von Amtes wegen verfolgt werden, muss die Polizei eingeschaltet werden. Durch das Einschalten einer kantonalen Opferstelle übergibt die Schule die Verantwortung für die Meldung des Falles und die richtige Einschätzung der Situation an die Behörden, was eine Entlastung sein kann.
Es ist unerlässlich, die Eltern über solche Handlungen zu informieren, damit sie einen Blick auf die Mobiltelefone ihrer Kinder werfen können. 

c) Technische Hilfsmittel einsetzen

In Schulnetzwerken wie auch zu Hause können Filter helfen, den Zugang zu Seiten mit pornografischen Inhalten zu erschweren. Diese Lösungen können aber umgangen werden und sie schützen auch nicht, wenn Inhalte von einem Smartphone auf das andere übertragen werden. Mithilfe von einigen Kindersicherungen können Inhalte nicht nur kontrolliert werden, es können auch die Internet-Verbindungszeiten eingeschränkt werden.

d) Das Thema Pornographie gemeinsam mit den Schülern in einen Gesamtkontext stellen

Die oben genannten Informationen sind hilfreich, um mit Gefährdungssituationen umzugehen. Aber vorher schon kann das Thema mit den folgenden Feststellungen in einen Gesamtkontext gestellt und damit wesentlich uninteressanter gemacht werden:

  • Internet-Pornografie ist kein Akt der Liebe. Es geht um verzerrte Darstellungen, die auf sexuelle Erregung abzielen. Es handelt sich um Schauspieler, die wie im Film eine von einem Regisseur und einem Filmteam geleitete Vorstellung schaffen. Und dies gilt auch für Videos, die vielleicht intimer oder "amateurhaft" wirken. 
  • Pornographie im Internet ist keine Anleitung für Sexualität. Die Videos sind mit einem Drehbuch versehen und folgen einem sehr präzisen roten Faden, der nicht der Realität entspricht. In der Realität sind sexuelle Handlungen abhängig von der Zustimmung und von den Wünschen beider Partner. 
  • Die Internet-Pornografie zeigt keine körperliche Realität. Die Bilder werden mit Spezialeffekten (z.B. Kameralinsen, Beleuchtung) aufgenommen, um Illussionen zu schaffen. 
  • In pornographischen Darstellungen wird oft mit den Rollen der Protagonisten gespielt. Es wird ein falsches Rollenverständnis aufgebaut. Einige Menschen werden als unterwürfig, andere als machtvoll dargestellt.
  • Internet-Pornografie ist eine sehr lukrative Industrie, die mit unwirklichen Bildern und falschen Darstellungen sexuelle Erregung und Abhängigkeiten aufbaut. Finanziert wird das über Werbung und Abo-Modelle. Sie vermittelt oft Werte der Geringschätzung.

Zusammenfassend sind für  Schulleiter oder Lehrpersonen folgende Punkte empfehlenswert:

  1. Wenn Sie einen Vorfall, von dem Sie Kenntnis erhalten haben, als kritisch einstufen und nicht sicher sind, wie Sie reagieren sollen, zögern Sie nicht sich Hilfe zu holen. 
  2. Bauen Sie eine Struktur auf, damit Mitteilungen von Schülern zu diesem Thema entgegengenommen und bearbeitet werden können. Schüler und Lehrpersonen müssen von vornherein wissen, wer ihre Ansprechperson ist.  
  3. Generell ist es wichtig und sinnvoll, Jugendliche über die Art pornographischer Inhalte, den Grad ihrer Falschheit in Bezug auf die Realität und den möglicherweise illegalen Charakter aufzuklären.
  4. Sensibilisieren Sie Schülerinnen und Schüler dafür, dass der Austausch von pornografischen Bildern und Videos von sich selbst erst ab 16 Jahren (sexuelle Volljährigkeit) erlaubt ist. Es wird illegal, wenn 
    • diese Fotos oder Videos an Dritte weitergeleitet werden. 
    • die Person, die pornografische Fotos oder Videos von sich mit anderen teilt, noch nicht 16 Jahre alt ist. In diesem Fall erstellt und teilt sie pornografisches Material, was automatisch strafrechtlich verfolgt wird.  
    • die Person, die pornografische Fotos oder Videos erhält, noch nicht 16 Jahre alt ist. In diesem Fall stellt der Absender einem Minderjährigen pornografisches Material zur Verfügung, was automatisch strafrechtlich verfolgt wird.  
  5. Berücksichtigen Sie die Pflicht, die Polizei zu alarmieren, falls Inhalte von Amts wegen strafrechtlich verfolgt werden müssen.  Sie können sich auch an die kantonale Opferstelle wenden.

Abschliessend kann man sagen, dass das Thema Pornographie auf keinen Fall totgeschwiegen werden darf: Es ist ein wichtiges und aktuelles Thema, welches in der Schule und im Unterricht thematisiert werden muss, auch wenn es für die Schülerinnen und Schüler peinlich sein kann. Organisationen wie die SIPE können die Schule dabei unterstützen.

Die Auseinandersetzung kann helfen, das Thema zu ent-dramatisieren, zu informieren und es als normales Diskussionsfeld aufzunehmen. Das Gespräch darüber hilft zu bestimmen, was legal ist und was nicht und wo die Gefahren liegen. Die Schülerinnen und Schüler lernen, die Inhalte in einen grösseren Kontext einzuordnen.

Zu diesem Thema gibt es viele Quellen und es mangelt nicht an Verbänden und Organisationen, an die Schüler, Lehrpersonen oder Schulleitungen sich wenden können.
Es braucht nur den ersten Schritt.

Quellen / Ressourcen

Ratgeber und Hilfen