Squid Game – die Netflix-Serie, in der Sterben zum Kinderspiel wird

Squid Game – die Netflix-Serie, in der Sterben zum Kinderspiel wird

Die seit September 2021 auf Netflix ausgestrahlte Serie verzeichnet einen Riesenerfolg. Sie ist die meistgesehene Serie in der Geschichte von Netflix. Die südkoreanische Serie mit neun Folgen (für die erste Staffel) fasziniert Erwachsene, Kinder sowie Jugendliche und erregt gleichermassen die Gemüter.
Sie ist nicht nur erfolgreich, sondern regt zum Nachdenken über die Herausforderungen des Internets und insbesondere über die beeindruckenden Auswirkungen von Marketing an.


Die Handlung ist ganz simpel. 456 verschuldete und perspektivlose Personen sind auf einer Insel abgeschottet. Sie müssen in Kinderspielen gegeneinander antreten (Zeitunglesen, Himmel und Hölle, Schnitzeljagd, ...). Wer verliert, wird erschossen oder zu Tode geprügelt. Und dies geschieht nicht zimperlich. Die Szenen sind unmissverständlich brutal und absichtlich blutig. Die Gewinnerin oder der Gewinner erhält 45.6 Milliarden Won (35.5 Millionen Franken).

Es ist verständlich, dass die Serie bei Jugendlichen und Kindern zu Verwirrung führen kann. Als ob Spielen ein Mittel zum Schlagen oder Quälen wäre.
Weil zunehmend auf dem Schulhof davon gesprochen wird, erscheint es wichtig, sich diesem Thema anzunehmen. Daher rührt der Grund für die Publikation des vorliegenden Artikels. So haben etwa in Belgien einige Schulen Schutzmassnahmen ergriffen. Es gibt Szenen, in denen eine Person verliert und von anderen ausgepeitscht oder verprügelt wird. Diese Szenen stammen von der Serie, konnten aber auch auf den Schulhöfen in der Schweiz beobachtet werden.

Nachfolgend werden wichtige Elemente der Serie sowie Präventionstipps festgehalten, um ein besseres Verständnis zu ermöglichen und dieses Thema in der Schule anzugehen.

Altersfreigabe der Serie:

16 Jahre!
Die Serie ist für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet. Der Grund dafür liegt auf der Hand: die allgegenwärtige physische und psychische Gewalt. Die Sprache ist auch ziemlich vulgär. Dennoch wird die Serie von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren geschaut.

 

Marketingphänomen:

Die Wettkampfteilnehmenden der Serie tragen alle die gleiche Kleidung: einen grünen Trainingsanzug und makellose weisse Vans-Schuhe. Seit Beginn der Serie explodierten die Verkäufe dieser Marke regelrecht. Möglicherweise werden diese Schuhmodelle auch auf dem Schulhof getragen.
Ausserdem besteht eine Aufgabe der Serie darin, eine Form aus einer südkoreanischen Süssigkeit (sogenannte Dalgona) herauszulösen. Teilnehmende, denen die Zuckerform zerbricht, werden erschossen. Im Internet finden sich auf allen möglichen Onlineportalen, von offiziellen Websites für Kochrezepte bis hin zu TikTok, unzählige Tutorials zur Zubereitung der Kekse. Darüber hinaus sind diese Kekse in Bäckereien erhältlich.

 

Widerspruch zwischen Kinderwelt und Brutalität:

Ein Erfolgsrezept der Serie bei Kindern besteht darin, Erwachsene Schulhofspiele spielen zu lassen. So etwa Himmel und Hölle (in der Serie Tintenfisch oder Squid genannt), Schnitzeljagd und Zeitunglesen. Dieser allgegenwärtige Bezug zur Kindheit (wie Kekse, Kinderlieder oder Charaktere aus Büchern) wird in direkten Zusammenhang gesetzt mit intensivem Leiden und dem Töten von Personen. Das kann als eine Art Grenzüberschreitung gesehen werden zwischen der unschuldigen Kinderwelt mit Spielen und derjenigen der Erwachsenen auf der Suche nach Wettbewerb und Sieg, um zu überleben.

 

Vehikel der Fantasie:

Ferner gibt es in den sozialen Netzwerken zahlreiche Beiträge mit Fragen zu einigen Rätseln, die in der Serie vorkommen. Es wird beispielsweise über die Bedeutung gewisser Gegenstände oder Gesten diskutiert. Zudem wird die Verwandtschaft gewisser Protagonisten hinterfragt. Kurzum, diese Serie begeistert nicht nur wegen ihrer gewaltsamen Seite.

 

Wachsendes Kulturelement:

Die Serie stammt aus Südkorea. In den vergangenen Jahren ist die dortige Kultur allmählich zu einer der wichtigsten im Leben der Jugendlichen der westlichen Staaten geworden. Nehmen wir beispielsweise den Film «Parasite» von Bong Joon-ho aus dem Jahr 2019, der renommierte Auszeichnungen wie den Oscar und die goldene Palme für den besten Film erhalten hat. Die südkoreanische Popband BTS hat es auf die Playlists der Jugendlichen in Europa geschafft. Ganz zu schweigen von der eindrücklichen Anzahl an Serien aus Südkorea, die allmählich in der Schweiz auf Netflix zu sehen sind. In der Serie wird die koreanische Kultur den Jugendlichen auf vielfältige Weise präsentiert. Neben dem exemplarischen Keks gibt es auch kurze Melodien, die aus koreanischen Kinderreimen stammen, sowie ein typisch koreanisches Spielzeug (das bei der Aufgabe Zeitunglesen eine Hauptrolle spielt).

 

Sozialkritik:

Die Gewalt hat auch eine versteckte Bedeutung. Ohne weiter ins Detail zu gehen, übt Squid Game Kritik am Wirtschaftsliberalismus aus. So kommen überschuldete Personen vor, die dazu gezwungen sind, egoistisch zu handeln und andere zu quälen, um zu überleben und Geld zu verdienen. Die Gewaltdarstellungen sind gewollt äusserst brutal, um eine grosse Wirkung beim Publikum zu erzielen. Doch werden Sie auch richtig verstanden? Dies ist zu bezweifeln, insbesondere von den jüngsten Kindern, die sich die Serie anschauen.

Präventionstipps:

  • Den Eltern muss bewusst gemacht werden, dass das empfohlene Alter 16 Jahre beträgt. Die Szenen sind brutal und unmoralisch. Die Inhalte der Serie können von Kindern und Jugendlichen falsch verstanden werden. Dadurch können Nachahmungen dieser Szenen sehr gefährlich sein!

  • Das Phänomen ist keineswegs neu. Seit jeher wird das imitiert, was im Fernsehen oder im Internet zu sehen ist. In diesem Fall gilt es hingegen die Gewalt und die potenziellen Auswüchse, die sie hervorrufen kann, zu beachten. Darüber hinaus ist diese Gewalt auf Netflix zu sehen und somit einfach zugänglich.

  • Was auf Netflix gezeigt wird, ist nicht automatisch im echten Leben erlaubt. Wer andere schlägt, sie zu Dingen zwingt, die sie nicht möchten, sie demütigt oder beschimpft, wird gemäss Strafgesetzbuch und Schweizerischem Zivilgesetzbuch bestraft. Wir erinnern daran, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit mit dem 10. Geburtstag beginnt. Schülerinnen oder Schüler mit einer Strafanzeige können somit vor einem Jugendgericht für ihre Handlungen zur Verantwortung gezogen werden.

  • Es muss auf die Tatsache bestanden werden, dass alle audiovisuellen Produktionen, Szenen von Folter, Gewalt, Kampf, Tötung oder Leiden simuliert und nicht echt sind. Sie werden von Filmschaffenden gedreht (Schauspieler, Stuntfrauen, Pyrotechnikerinnen). Hinzu kommen visuelle Effekte (computergenerierte Bilder für Hinrichtungsszenen) und physikalische Spezialeffekte (Kunstblutspritzer für Einschusslöcher im Körper). An diesen Szenen ist also nichts real, weswegen eine Nachahmung ohne Spezialeffekte potenziell gefährlich ist.

  • Der Konsum von Mediengewalt ist ein wichtiges Thema in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Die Serie, die für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet ist, stellt ein weiteres Element dar. Die Debatte über Gewalt in Videospielen mit PEGI 16 oder 18 ist bekannt. Es wird manchmal über anstössige Sprache von gewissen Kunstschaffenden geredet, aber auch von der Gewalt der Bilder in Nachrichtensendungen. Diese wird durch den übermässigen Konsum von Mediengewalt trivialisiert. Um zu verhindern, dass diese Bilder und Töne Gewalt «normal» machen, ist eine elterliche Kontrolle notwendig.

  • Wer Gewalt verharmlost, lässt zu, dass sie überall als Lösung für einen Konflikt oder ein Problem eingesetzt werden kann. Die Verharmlosung von Gewalt ist gleichbedeutend mit ihrer Anwendung in allen möglichen Situationen anstelle von Dialog, Kommunikation oder Mediation. Die Serie unterstreicht somit die zunehmende Wichtigkeit von Lebenskompetenzen im Unterricht, um den Schülerinnen und Schülern Empathie und Diskussionsfähigkeit beizubringen.

  • Die Förderung von kritischem Denken, die Teil von PER und LP21 ist, ermöglicht einen reflektierten Umgang mit der Serie und allgemein mit brutalen Inhalten.

Weitere Informationen: