Cybermobbing - was kann man tun?

Cybermobbing - was kann man tun?

Der Begriff "Cybermobbing" ist in aller Munde. Wir reden darüber, ohne bisweilen wirklich zu wissen, was es ist und worum es sich handelt. Eine kurze Erläuterung und Betrachtung über mögliche Vorgehensweisen für Erwachsene, und zwar mit dem Fokus auf M365.

Die JAMES-Studie analysiert eingehend das Verhalten und die Nutzung von digitalen Geräten durch Schweizer Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren. Alle zwei Jahre erscheint eine neue Ausgabe, dazwischen gibt es sogenannte Fokusstudien, die sich mit einem bestimmten Phänomen befassen. Die Ergebnisse der JAMES-Studie zeigen, dass im Jahr 2022 die Zahl der sexuellen Belästigungen im Internet stark angestiegen ist.

"(...) Fast die Hälfte der Jugendlichen ist mindestens einmal online sexuell belästigt worden, im Vergleich zu 19 % im Jahr 2014. Auch die Abrechnung im Internet ist über die Jahre um etwa zehn Prozentpunkte gestiegen."

Link JAMES-Studie

Vor diesem Hintergrund sind die Prävention von Mobbing und die Auseinandersetzung mit Cybermobbing notwendig, um zu verhindern, dass es verharmlost wird.

1. Definition

Beim Cybermobbing greifen ein oder mehrere Täter eine Person über einen längeren Zeitraum und wiederholt mithilfe digitaler Technologien an, um sie absichtlich persönlich und individuell zu verletzen, zu bedrohen oder zu erniedrigen.

Cybermobbing unterscheidet sich von Mobbing, weil es ausschliesslich online stattfindet und sich auf andere Weise ausdrückt. Beispiele hierfür sind:

  • Die Veröffentlichung von privaten Fotos, Videos oder Audionachrichten (ob unter Zwang erlangt oder nicht)
  • Die Verbreitung von falschen Informationen oder Gerüchten über das Opfer
  • Die Verbreitung von gefälschten, nackten oder sogar pornografischen Fotos oder Videos des Opfers
  • Das Erstellen und Nutzen von falschen Profilen in sozialen Netzwerken
  • Beleidigungen, Beschimpfungen, Belästigungen, Bedrohungen und Erpressungen per E-Mail, SMS, Nachrichten, Kommentaren oder Postings in sozialen Netzwerken
  • Die Bildung von "Hassgruppen" mit dem Ziel, negative Bemerkungen über eine Person insbesondere in sozialen Netzwerken zu publizieren.

In diesem Sinne sind "Trolle" ausgeschlossen, die im Internet nach Lust und Laune Beiträge kritisieren, zerlegen oder kommentieren, ohne eine bestimmte Person ins Visier zu nehmen und mit dem Ziel, jemanden zum Lachen zu bringen oder einen Diskussionsfaden zu unterbrechen.

2. Zusammenhang mit Mobbing

Meistens gibt es einen Zusammenhang zwischen Mobbing und Cybermobbing. Das Opfer wird nicht zufällig in sozialen Netzwerken ausgewählt, es ist den Mobbern persönlich bekannt. Cybermobbing ist in diesem Fall eine Ergänzung und Erweiterung der bereits bestehenden Mobbing-Situation.

In anderen, selteneren Fällen beginnt Cybermobbing aufgrund dessen, was das Opfer im Internet veröffentlicht hat; eine Meinung oder ein Inhalt, der einigen Online-Nutzern nicht gefallen hat. Dies kann z. B. bei Online-Influencer/innen der Fall sein. Ein Artikel in Le Monde vom September 2022 beschreibt den Alltag einiger weiblicher Influencer, die in der Welt der Videospiele tätig sind und buchstäblich ein Martyrium durchleben.

Beim Cybermobbing haben die Täter das Gefühl, anonym zu sein. Damit werden die Äusserungen und Taten umso rauer und brutaler. Die Täter verstecken sich hinter Pseudonymen oder falschen Profilen. Meistens kennen die Täter also das Opfer (sei es aus ihrem täglichen Lebenskreis oder weil es sich um "Berühmtheiten" handelt), die Betroffenen aber wissen meistens nicht, wer hinter den Belästigungen steckt. Und wie beim Mobbing kann es so lange dauern, bis jemand reagiert. 

Unter anderen Bedingungen, z. B. in Schulnetzwerken, in denen jeder eine eigene Anmeldung mit seinen richtigen Namen hat, kann dies ebenfalls passieren. Aber auch hier gilt: Solange ein Erwachsener nicht von den Vorgängen erfährt, kann es ewig dauern. 
Aus diesen Gründen wurde die Konfiguration von M365 für die Walliser Schulen angepasst.  Eine interessante technische Einstellung, die wir im Folgenden anschauen.  

3. Wer ist daran beteiligt?

Wie in Fällen von Mobbing gibt es diese Dreiecksbeziehung zwischen Täter, Opfer und Zeugen.

Aber Vorsicht: Diese Täter-Opfer-Beziehung ist asymmetrisch. Es handelt sich nicht um einen klassischen Konflikt und es ist daher sinnlos, eine Vermittlung oder einen Dialog zwischen den beiden Individuen anzustreben. Wichtig ist, zu definieren, wer zu den drei Gruppen gehört und wie man es schaffen kann, diese Beziehung wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Es gibt verschiedene Methoden zur Bewältigung von Mobbing. Die Wirksamkeit dieser Methoden ist dokumentiert und nachgewiesen und es gibt Schulungen in Form von Fortbildungen oder CAS für Lehrkräfte. Zu nennen ist hier beispielsweise das "CAS Harcèlement" (Certificat de formation continue en "études interdisciplinaires du harcèlement entre pairs"), das ab 2022 von der HEPVS in Zusammenarbeit mit der Universität Genf angeboten wird.

Beim Cybermobbing haben es der oder die Täter auf ein oder mehrere Opfer abgesehen, die dieser Situation niemals entfliehen können, da das Mobbing unabhängig von Zeit und Ort im Internet passiert: Es gibt keine Verschnaufpause in den Ferien oder nach der Schule. Und das führt natürlich zu erheblichen Auswirkungen, die sowohl zu Hause als auch in der Schule und manchmal sogar in den sozialen Netzwerken selbst beobachtet werden können.

Neben Täter und Opfer gibt es die Dritten im Bunde, die Zeugen. Zunächst sind es Verbündete des Mobbers. Sie werden schweigen oder die Beleidigungen mit Likes und Shares kommentieren.  Dies trägt dazu bei, dass sich der Schüler noch mehr isoliert fühlt.

Die gleiche Gruppe wird an dem Tag zum Verbündeten des Opfers, an dem sie die Vorfälle meldet, indem es einem Erwachsenen, von dem Geschehenen berichtet. Nur so kann eine Veränderung eingeleitet werden.

In diesem Sinne enthalten die Schulchartas der Walliser Schulen wichtige Regeln für das Verhalten im Internet. Diese können zur Prävention aber auch zur Bewältigung herangezogen werden. 

4. Welche Gesetze sind betroffen?

In der Schweiz gibt es kein spezielles Gesetz, das Belästigung oder Cybermobbing unter Strafe stellt. Dennoch gibt es zahlreiche Gesetzesartikel, die die Handlungen unter Strafe stellen. Für Cybermobbing sind zu nennen:

Delikte, die von Amts wegen verfolgt werden

  • Art. 156 StGB: Erpressung und Bestechung
  • Art. 181 StGB: Nötigung

Delikte, die auf Antrag verfolgt werden

  • Art. 143bis StGB: Unberechtigter Zugang zu einem Computersystem
  • Art. 144bis Ziff.1 StGB: Beschädigung von Daten
  • Art. 173 StGB: Verleumdung
  • Art. 174 StGB: Verleumdung
  • Art. 177 StGB: Beleidigung
  • Art. 179quater StGB: Verletzung des Geheimbereichs oder des Privatbereichs mittels eines Bildaufnahmegeräts
  • Art. 179novies StGB: Entziehung von persönlichen Daten
  • Art. 180 StGB: Drohungen
  • ..

5. Was kann man also tun?

Wie kann man Cybermobbing bekämpfen oder gar präventiv verhindern? Was kann man tun, wenn man glaubt, dass eine Person ein Opfer ist?

  • Grundsätzlich ist es von grösster Bedeutung, in der Klasse und in der Familie ein positives und offenes Klima zu schaffen. Als Erwachsener dürfen Sie diese wichtige Funktion der Vertrauensperson nicht vernachlässigen, denn Mobbing in der Schule kann nur durch die Mithilfe von Erwachsenen gelöst werden, dasselbe gilt für Cybermobbing. Ein positives und wohlwollendes Klima ist der beste Schutz im Vorfeld. Wenn sich Kinder, Eltern und/oder Lehrer wohl dabei fühlen, zu reden und sich vertrauensvoll auszudrücken, ist die Gefahr, dass Cybermobbing entsteht, geringer. Wir sprechen das Thema an, wie jedes andere auch.
  • Wie bereits erwähnt, kann Cybermobbing auch von Zuschauern,  die das Geschehen ohne aktive Teilnahme verfolgen, angeheizt werden. Hier gilt es, diese mehr oder weniger involvierten Zuschauer davon zu überzeugen, dass man sich gegen Cybermobbing einsetzen und den Opfern helfen muss. Jedes Kind oder jeder Jugendliche, der von Cybermobbing erfährt, sollte mit einer Vertrauensperson darüber sprechen, damit die Eltern oder die Schule etwas unternehmen können.
  • Ausserdem entwickelt sich Cybermobbing wie Mobbing über einen längeren Zeitraum und  daher ist es wichtig, ein wachsames Auge auf Verhaltensänderungen zu haben (Reizbarkeit, Verschlossenheit, sinkende Motivation, schlechtere Schulleistungen, ...).
  • Wenn es sich um Cybermobbing handelt, kann man auch auf der technischen Seite handeln. Es ist möglich, die Profile der Täter zu blockieren oder sie den sozialen Netzwerk zu melden. Vorher aber ist es notwendig, Beweise zu sammeln: Drucken Sie Internetseiten aus, zeichnen Sie Chatgespräche auf, behalten Sie Spuren von Nachrichten oder machen Sie Screenshots von ALLEM, was Schaden anrichtet. Am Ende des Artikels finden Sie Links, um einen Screenshot zu machen. Damit kann eine Datenbank angelegt werden, die von entscheidender Bedeutung ist, damit die Polizei im Falle einer zulässigen Anzeige ihre Arbeit tun kann.

Wichtig: Da es kein spezifisches Gesetz gegen (Cyber-)Mobbing gibt, müssen die Handlungen, die es ausmachen, geahndet werden. Zur Polizei zu gehen und eine Anzeige wegen Belästigung zu erstatten, ist ohne Beweise sinnlos. Oft sind der Polizei auch die Hände gebunden, weil sich die Server der entsprechenden Programme ausserhalb der Schweiz befinden. Laut SKPPSC (Schweizerische Kriminalprävention) gibt es zwischen der Schweiz und verschiedenen Ländern Abkommen, die es der Schweizer Polizei ermöglichen, bei "sehr schweren" Taten einzugreifen. Damit es gar nicht erst so weit kommt, müssen möglichst viele Beweise gesammelt werden, die es der Polizei ermöglichen, einen sogenannten "Ablauf" zu speichern und weitere Schritte einzuleiten, wenn das Gesetz und die Abkommen dies zulassen.

Hilfen

  • In Primar- und Sekundarschulen gibt es Mediatorinnen und Mediatoren. Diese werden speziell ausgebildet.
  • Wenn die Bewältigung der Situation für einen Mediator zu komplex ist, kann er sich an das ZET (Zentrum für Entwicklung und Therapie des Kindes und Jugendlichen) wenden, das psychologische oder psychiatrische Begleitmassnahmen gegenüber dem Opfer und/oder dem Aggressor ergreift.
  • Bevor Sie zur Polizei gehen, müssen Sie Beweise sammeln, um eine Sammlung von Beweisen zu erstellen, die bei der Polizei aufgenommen und weiter verfolgt werden können.
  • Oft können die Eltern von Cybermobbing-Tätern mit einbezogen werden. Es gibt auch Jugendhilfeeinrichtungen (siehe Links und Kontakte), die das Opfer und den Mobber bei diesem Prozess unterstützen können.

  • Schliesslich kann eine Sensibilisierung der Eltern und der Schüler für das Thema durch die Schule in Betracht gezogen werden. In diesem Sinne könnte man eine Sensibilisierungskampagne vorschlagen, die Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern einbezieht.

6. Im Blick: M365, das Arbeitsinstrument der Walliser Schulen

M365 wurde ab dem Schuljahr 2020 in der Walliser Schule eingeführt. Es bietet gesicherte Werkzeuge, die die Kommunikation, Zusammenarbeit, Speicherung und Nutzung von Dokumenten im schulischen Umfeld ermöglichen.

Teams von M365 ist ein Kollaborationswerkzeug mit der Möglichkeit, Dokumente (Text, Bilder, Töne, Videos, ...) oder Weblinks zur Verfügung zu stellen, gemeinsam zu bearbeiten oder zu kommentieren. Live-Kommunikation durch Anrufe oder Videokonferenzen ist möglich. Man kann mit kleinen Gruppen privat kommunizieren, ohne dass die Lehrkraft anwesend ist. In diesem Sinne erfüllt dieser Dienst von Microsoft also die gleichen Funktionen wie ein Instant-Messaging-System wie Whatsapp.

Es wurden aber technische Schutzelemente hinzugefügt, um zu verhindern, dass es zu Cybermobbing kommt.

  • Die Chatfunktion ist während der Schulferien im Sommer deaktiviert.
  • Wenn eine Nachricht gesendet wird, kann sie weder gelöscht noch bearbeitet werden.
  • Bei Problemen kann die Lehrkraft den Zugang des Schülers zu seinem Konto sperren.

Diese Maßnahmen dienen der Vorbeugung, reichen aber nicht aus, da Cybermobbing auch in anderen Netzwerken und Diskussionsplattformen vorkommen kann. Daher ist eine Schulung und Sensibilisierung der Schülerinnen und Schüler erforderlich, um die richtigen Verhaltensweisen und die Risiken von Cybermobbing zu erklären.