"Huggy Wuggy" - Das Spiel mit der Angst

Seit der Serie Squid Game ist es gang und gäbe, die harmlose Welt der Kindheit und der Spiele auszunutzen, um daraus heraus gewalttätige, blutrünstige und traumatische Welten mit Angst, Tod und Folter zu erschaffen. Wenn dies etwas hart klingt, dann deshalb, weil die Folgen für Kinder dramatisch sein können, vor allem, wenn diese Welten in sozialen Netzwerken ausufern.
Ein Neuling in diesem Zusammenhang ist Huggy Wuggy, das Monster von Poppy PlayTime.
Wir zeigen auf, worum es geht und geben Tipps zur Prävention.

Ein bekanntes Phänomen

Das Phänomen ist nicht neu. Immer wieder wird die sichere Welt der Kindheit oder des Vergnügens genutzt, um daraus heraus Geschichten mit Horror, Gewalt oder Tod zu entwickeln. 

Im Folgenden finden Sie einige Beispiele aus Filmen oder Zeichentrickfilmen.

Der Film "Es, es ist wieder da" (1993 / 2017 / 2019 / 2023)

von Stephen King handelt von einem blutrünstigen Killerclown, der sich in dunklen Ecken und Kanalisationen versteckt und Kindern das Leben zur Hölle macht und sie bis in ihr Erwachsenenleben verfolgt. Der Film wird für Kinder unter 12 Jahren nicht empfohlen.

Im Internet gibt es die Webserie "Happy Tree Friends" (2006), in der kindlich gezeichnete Figuren sich im Blutrausch schwer verletzen, verstümmeln oder töten. Zwar ist es ein Zeichentrickfilm, aber für Kinder und zarte Seelen ungeeignet. Diese Serie ist bei Jugendlichen heute deutlich weniger bekannt, sie ist jedoch weiterhin kostenlos online auf YouTube zu sehen - nicht empfohlen für Jugendliche unter 16 Jahren.

Momo und ihr furchteinflössendes Aussehen mit den grossen, weit aufgerissenen Augen versetzte Kinder 2018 in Angst und Schrecken. Alles begann mit der urbanen Legende, dass Momo ein Monster sei, das seine Opfer per SMS kontaktiert. Da es scheinbar das gesamte Leben seiner Zielpersonen kannte, machte es ihnen Angst und forderte sie zu Prüfungen heraus, mit der Drohung,  sie oder nahe Angehörige sonst zu verstümmeln oder zu töten. 
Letztendlich handelte es sich um einen schlechten Scherz:  Die Figur Momo war eine zeitgenössische Statue eines japanischen Künstlers (der sie inzwischen zerstört hat).

In ähnlicher Weise hat die Netflix-Serie Squid Game (2021) - nicht für Kinder unter 16 Jahren empfohlen - ihren Anteil an Ruhm und Polemik gehabt, da die Teilnehmer genau durch Herausforderungen aus der Welt der Kindheit versuchen mussten, zu überleben, wobei sie schreckliche Schmerzen und unmoralischen Wettbewerb in Kauf nehmen mussten.

 

Im Detail

Hier geht es um eine Figur namens Huggy Wuggy.

Sie sieht wie ein riesiges blaues Stofftier mit scharfen Zähnen aus. Erstmals tauchte sie 2021 in dem episodischen Videospiel "Poppy Play Time" der MOB Studios auf.
Ziel des Spiels: Man muss mit List und Tücke aus einer alten Fabrik, die von unheimlichen lebenden Spielzeugen bevölkert wird, fliehen. Man wird verfolgt und möglicherweise zur Strecke gebracht. Die Figur Huggy Wuggy jagt den Spieler durch dieses Labyrinth von Räumen und versucht, alle zu fressen.
Der durch das Spielziel erzeugte Stress, die beängstigenden Welten, die manchmal verstörenden Charaktere, aber auch die Notwendigkeit, beim Lösen von Rätseln konzentriert zu bleiben, machen die Erfahrung des Spielers sehr immersiv (und damit beängstigend).

Das Spiel, das auf Download-Plattformen erhältlich ist, hat derzeit keine Altersbeschränkung, aber im Internet gibt es einige spezialisierte Referenzseiten, die empfehlen, das Spiel nicht unter 12 Jahren zu spielen. Die Merkmale der PEGI-Standards bestätigen dies: Tatsächlich handelt es sich um eine cartoonartige und damit unrealistische Welt, es gibt kein sichtbares Blut und keine derbe Sprache. Insgesamt ist es die stressige und beängstigende Atmossphäre, die Angst macht. Es ist auch für Smartphones erhältlich und wird von Google als "Spiel für Jugendliche" und von Apple als "Spiel ab 12 Jahren" eingestuft.

Dennoch ist das Spiel - genauer gesagt Huggy Wuggy - bereits in der 2H und 3H ein Thema. Das Spiel ist leicht zugänglich, die Stofffigur hat durchaus ihre Reize. Auf YouTube findet man Videos, in denen sich Kinder beim Spielen mit Huggy Wuggy filmen. Es gibt Cartoons und Lieder über diese Figur. Sie taucht in Videos für Kinder auf, die nachbearbeitet wurden. Auch in anderen sozialen Netzwerken wie TikTok, das vor allem bei jüngeren Menschen beliebt ist, gibt es zahlreiche Videos. Schliesslich findet man Huggy Wuggy in zahlreichen Merchandising-Produkten wie Plüschtieren, die in Schweizer Kaufhäusern verkauft werden, Kleidung, Geburtstagstorten oder auch in Malzeitschriften. Viele Influencer auf Youtube verbreiten Inhalte zu diesem Phänomen und erreichen damit auch die Kinder, die ihnen folgen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass der Zugang von Kindern zu diesen ungeeigneten Inhalten erleichtert wird.

 

Image

YouTube @TryHardNinja

Image

makertoys.net

Was Angst macht

Die Situation in diesem Videospiel: Man befindet sich in einem geschlossenen Raum voller tödlicher Gefahren und muss gleichzeitig sehr schnell Rätsel und Aufgaben lösen. 

Das Aussehen des Monsters Huggy Wuggy ist furchteinflössend: Es ist sehr gross, hat lange, hängende Arme und grosse, ausdruckslose Augen, die wie tot wirken, einen riesigen Mund und rasiermesserscharfe Zähne. Sein Ziel ist es, Menschen zu töten oder ihnen intensive Schmerzen zuzufügen.

Darüber hinaus taucht es im Spiel meist in engen Räumen, im Halbdunkel und überraschend auf. Es ist klar, dass dies das Einschlafen des Kindes stören kann. 

Die Figur wird wie ein verlassenes, abgelegtes Spielzeug dargestellt und von Liedern und Texten mit besonders gewalttätigen Inhalten begleitet:

"Dein Freund Huggy Wuggy (...) wird dich umarmen, bis du platzt"

"Umarme mich. Meine Zähne werden sich so tief in deine Lunge bohren"

"Willst du wissen, wie weit ich bereit bin zu gehen, um dich zu finden und damit zu beginnen, deine Seele zu verschlingen?"

" Mein Name ist Huggy, ich habe scharfe Zähne, die dich bluten lassen werden. Nenn mich nie hässlich, halt mich fest bis zu deinem Tod. Ich weiss, wo du dich versteckst, weisst du nicht, dass ich dich finden werde? "

Diese aggressiven Texte werfen Fragen auf. Und  wie bei der Momo Challenge wird auch in Nachrichten, in sozialen Netzwerken oder in WhatsApp diese Figur verwendet, um Kindern Angst zu machen oder sie zu bedrohen.

 

Die Auswirkungen auf das Kind

Hier geht es nicht nur um das Videospiel, sondern um den gesamten "Mythos", der um diese Figur herum geschaffen wurde und die Auswirkungen auf bestimmte Kinder. Nicht alle werden das Videospiel gespielt haben, aber einige haben Videos oder Fotos gesehen oder Erzählungen darüber gehört.

Jüngere Kinder glauben oft, dass gruselige Figuren wirklich existieren, dass diese sich in einem Schrank oder an einem dunklen Ort verstecken und dass beispielsweise Huggy Wuggy ihnen oder den Angehörigen schaden wird. Ausserdem wird dieser besondere Effekt der Spielzeuge, die Momente der Entspannung, der Sicherheit und der Ruhe aufbauen, durch die Angst einflössende Puppe "Huggy Wuggy" zerstört. 

Es kann Auswirkungen auf den Schlaf oder auf Albträume haben, vor allem weil die Welt von Huggy Wuggy von Dunkelheit und Einsamkeit geprägt ist. Oder wenn man alleine in der Wohnung oder auf dem Schulflur spazieren geht, um einfach nur auf die Toilette zu gehen.

Eine andere Auswirkung, die direkt durch Schlafmangel ausgelöst wird, ist mangelnde Konzentration oder Interesse, sogar Stress oder Angst. Diese Effekte weisen natürlich nicht nur auf die Problematik von Huggy Wuggy hin. In diesem Sinne wird ein Schüler, der durch etwas, das er gesehen oder erlebt hat, verstört ist, sein Verhalten und seine Beteiligung an der Schule ändern.

Auf dem Schulhof kann man sich leicht vorstellen, dass Schüler beginnen, das Spiel und die Versprechungen von Huggy Wuggy nachzuahmen, z. B. sich fest zu umarmen und schreckliche Dinge zu sagen. Dies sind sicherlich unbeabsichtigte Wörter, die Kinder jedoch schockieren können.

 

Wie kann man in der Klasse darüber sprechen?

Zunächst muss, wie immer, wenn ein externes Thema Auswirkungen auf Schüler oder den Unterricht hat, festgestellt werden, ob tatsächlich ein Problem vorhanden ist und wie schwerwiegend es ist. Denn wie bei der Labello Challenge handelt es sich oft um Modeerscheinungen, die so schnell wieder vergehen, wie sie gekommen sind, und die möglicherweise eine Region oder eine Schule gar nicht betreffen.

Wenn das Phänomen sich auf die Schüler auswirkt, kann man mit Erklärungen reagieren: Diese Figur wird von einem Videospielverlag geschaffen, der damit Geld verdient. Je mehr darüber berichtet wird, desto mehr Spiele wird dieser Verlag verkaufen. Die Figur selber ist nicht real, es geht nur um Geld. Dadurch wird auch die Diskussion über das Thema Ängste und die Tatsache, dass sie irrational und sehr persönlich sind, eröffnet. Einige werden Angst vor der Dunkelheit oder vor Spinnen haben, andere vor Mäusen. Angst ist ein natürliches Gefühl, das dazu dient, sich vor einer möglichen Gefahr zu schützen - auch wenn es keine gibt.

Wie bei der Momo Challenge, kann man erklären, dass sich Leute als Huggy Wuggy ausgeben. Diese Personen haben Freude daran, Angst zu machen, zu schockieren oder zu bedrohen. Wenn ein Schüler dies erlebt, sollte er ermutigt werden, mit einem vertrauenswürdigen Erwachsenen darüber zu sprechen.

Ausserdem kann das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass es sich um Medieninhalte handelt, die nicht für Kinder unter 12 Jahren bestimmt sind. PEGI-Standards gibt es für Videospiele und Download-Plattformen und sie erklären detailliert, warum das Spiel nicht geeignet ist. Eine Alterskennzeichnung findet man auch auf Video-on-Demand-Plattformen (Netflix, Disney Channel, ...), im Kino oder im Fernsehen. Es sei auch daran erinnert, dass das freie Anschauen von Videos auf YouTube für Kinder unter 13 Jahren nicht empfohlen wird. YouTube Kids filtert Inhalte heraus, die für Kinder potenziell anstössig sind (leider ohne absolute Garantie).

Wenn ein Schüler sich in Gefahr fühlt, sich schlecht fühlt oder vor etwas Angst hat, ist es wichtig, dass er weiss, mit welcher Vertrauensperson er frei sprechen kann. Eine Reflexion zwischen Eltern und Schule hilft auch, dem Leben des Schülers wieder mehr Realität und Unterstützung zu verleihen.